Dieser einmal nicht den bibliothekarischen
Alltag widerspiegelnde Artikel wagt den
Versuch, die Formen und die Möglichkeiten der
akademischen Selbstverwaltung der Universität
Tübingen zu erhellen. Auch wenn diese
"Selbstverwaltung" eventuell als trocken und
verstaubt erscheinen mag, so konnte ich doch
nach den ersten Monaten meiner Mitarbeit
feststellen, daß es hier auch sehr spannende
Entscheidungen zu treffen gilt. Als seit dem
01.Oktober 1994 neu gewähltes Mitglied im
"Großen Senat", mußte ich bei der Vorbereitung
zur ersten Sitzung feststellen, daß ich so gut wie
keine Vorstellung davon habe, welche Gremien
an der Universität welche Entscheidungen zu
treffen haben. Verschiedene Nachfragen bei
KollegInnen, Studierenden und MitarbeiterInnen
ergaben, daß auch bei ihnen so gut wie kein
Wissen über die Möglichkeiten der Mitarbeit in
diesen Gremien vorhanden ist. Daher nun eine
kurze Darstellung dieser Organe und der
Möglichkeiten, in diesen mitzuwirken. Kurze Vorbemerkung: bei der Abfassung des Artikels stand für mich zur Debatte, jeweils immer die weibliche und männliche Form der Personen zu verwenden. Nun ist es aber leider Tatsache, daß innerhalb der Universitätsleitung keine Frau vertreten ist und auch innerhalb der Kommissionen und Gremien die Frauen stets in der Unterzahl sind, so daß ich mich nun entschieden habe, auch der Einfachheit halber, meist nur die männliche Form zu benutzen.
1. Die Organe der Universität 1.1 Präsident / Rektor Prinzipiell sind zwei Formen der Leitung einer Universität möglich: - Präsidialverfassung, d.h. durch einen Präsidenten , der nicht als Professor an der Universität lehrt und dessen Amtszeit 8 Jahre dauert - Rektoratsverfassung, d.h. durch einen Rektor der eine Planstelle der Besoldungsgruppe C4 an der Universität innehat und dessen Amtszeit 4 Jahre währt
In beiden Fällen leitet und vertritt der Präsident/Rektor die Universität, ist Vorsitzender des Senats und seiner Ausschüsse und des Verwaltungsrats. Er ist für den ordnungsgemäßen Gang der Verwaltung verantwortlich und trägt Sorge für einen wirtschaftlichen Einsatz des vorhandenen Personals und der zur Verfügung stehenden Sachmittel und Einrichtungen. Er legt jährlich Rechenschaft über die Erfüllung dieser Aufgaben ab. Er ist Beamter auf Zeit und wird von den Vizepräsidenten/Prorektoren vertreten, nur im Bereich der Wirtschafts- und Personalverwaltung wird die Vertretung durch den Kanzler wahrgenommen. Nach vielen Jahren der Präsidialverfassung mit Prof. A. Theis als Präsidenten, wird nun seit Sommer 1995 die Universität Tübingen mit Prof. H.-W. Ludwig durch einen Rektor vertreten.
1.2. Der Große Senat Der Große Senat als höchstes Gremium der Universität hat u.a.folgende Aufgaben:
- Beschlußfassung über die Grundordnung, dem Handlungsrahmen, den sich die Universität auf Grund des Universitätsgesetzes selber gibt - Vorschlag für die Ernennung des Präsidenten - Wahl der Vizepräsidenten - Wahl des Rektors und der Prorektoren - Entgegennahme und Erörterung des jährlichen Rechenschaftsberichts des Präsidenten/Rektors - Erörterung der Angelegenheiten, die ihm der Senat zuweist
Ihm gehören an 1. kraft Amtes: - der Präsident/Rektor - Vizepräsidenten/Prorektoren (3 Personen) - die Dekane der einzelnen Fakultäten (z.Zt. 16 Personen) - der Kanzler mit beratender Stimme 2. auf Grund von Wahlen: - VertreterInnen der Professoren (21 Personen) - VertreterInnen des Wissenschaftl. Dienstes (7 Personen) - VertreterInnen der Studierenden (7 Personen) - VertreterInnen der sonstigen Mitarbeiter (7 Personen)
Die Amtszeit der Studierenden beträgt ein Jahr, die der anderen Mitglieder 2 Jahre.
1.3 Der Senat Der Senat entscheidet über alle Angelegenheiten der Universität, soweit sie nicht durch Gesetz einem anderen Organ oder einer anderen Universitätseinrichtung übertragen sind. Im einzelnen sind dies u.a.:
- Vorschlag für die Wahl des Präsidenten / Rektors - Beschlußfassung im Zusammenhang mit der Festsetzung von Zulassungszahlen - Beschlußfassung im Zusammenhang mit Errichtung, Änderung und Aufhebung von Studiengängen, Universitätseinrichtungen und gemeinsamen Kommissionen - Beschlußfassung über Studien- und Prüfungsordnungen - Beschlußfassung im Zusammenhang mit Berufungen von Professoren
Die Zusammensetzung des "Senats" ist analog zu der des "Grossen Senats", nur wird die Zahl der gewählten Mitglieder auf maximal 18 Personen beschränkt, im gleichen Verhältnis der Gruppierungen von 3:1:1:1
1.4 Der Verwaltungsrat Der Verwaltungsrat berät den Rektor in allen wichtigen Angelegenheiten der Universität, bereitet die Planung für die Entwicklung der Universität und der Zusammenarbeit mit anderen Bildungseinrichtungen vor und sorgt vor allem, im Zusammenwirken mit anderen Organen der Universität, für einen wirtschaftlichen Einsatz der Mittel für Forschung und Lehre. Er beschließt u.a. in folgenden Angelegenheiten: - Aufstellung des Haushaltsvoranschlags - Aufstellung der Ausstattungspläne - Verteilung der der Universität zugewiesenen Stellen und Mittel - Planung der baulichen Entwicklung - Entscheidungen über Grundstücks- und Raumverteilungen - Erlaß von Ordnungen für die Verwaltung und die Benutzung der Universitätseinrichtungen (z.B. Bibliotheksordnungen)
Dem Verwaltungsrat gehören an: 1. kraft Amtes: - der Präsident/Rektor - die Vizepräsidenten/Prorektoren - der Kanzler mit beratender Stimme - der Leitende Ärztliche Direktor, soweit das Uniklinikum betroffen ist - der Verwaltungsdirektor, soweit das Uniklinikum betroffen ist 2. auf Grund von Wahlen: - vier Professoren - ein/e Angehörige/r des Wissenschaftlichen Dienstes - ein/e Student/in - ein/e Angehörige/r der Gruppe der sonstigen Mitarbeiter
Die Wahlmitglieder werden von den jeweiligen Vertretern der Mitgliedergruppen im Senat gewählt, wobei sie nicht Mitglied im Senat sein müssen. Die Professoren werden in der Weise gewählt, daß jedes Jahr ein Mitglied ausscheidet. Sie sollen verschiedenen Fächern angehören. Die Amtszeit des studentischen Vertreters beträgt ein Jahr, die des Angehörigen des wissenschaftlichen Dienstes und der Gruppe der sonstigen MitarbeiterInnen je zwei Jahre.
Bei allen vorgenannten Gremien hat die Frauenbeauftragte der Universität das Recht, als beratendes Mitglied teilzunehmen.
2. Wie wird man nun Mitglied in einem dieser Gremien ? Alle zwei Jahre wählen alle Mitglieder der Universität jeweils ihre VertreterInnen in diesen Selbstverwaltungsorganen, sprich in unserem Fall können alle nichtwissenschaftlichen "sonstigen" MitarbeiterInnen bei diesen Wahlen bestimmen, wer für sie in den Gremien mitarbeiten soll. Zu diesem Zwecke werden Wahllisten erstellt, auf die sich jede/r Interessierte setzen lassen kann. In der Regel haben diese Listen unterschiedliche politische Ausrichtungen, so war die von mir ausgewählte Liste die der Gewerkschaft ÖTV. Sowohl für den "Grossen Senat" als auch für den "Senat" gibt es getrennte Wahlen, bei der die KandidatInnen mit der höchsten Stimmenzahl in das betreffende Gremium entsandt werden. Bei der letzten Wahl im SS 1994 gab es eine Besonderheit, da die gewählten KandidatInnen mit der höchsten Stimmenzahl gar nicht Mitglied in den verschiedenen Gremien werden durften. Aufgrund des gerade erst entschiedenen, sogenannten "Unvereinbarkeitsbeschlußes" ( 96, Abs. 1 UG), nachdem gewählte Personalräte aus nicht nachvollziehbaren Gründen nicht im Doppelmandat auch Mitglied in den Selbstverwaltungsgremien sein dürfen, entschieden sich die Mitglieder des Personalrats der Universität, die aus Protest trotzdem an der Wahl teilgenommen hatten und erwartungsgemäß wie in früheren Jahren die meisten Stimmen erhielten, für einen Verzicht auf die Mitgliedschaft in den Gremien und die VertreterInnen mit den nächsthöchsten Stimmanteilen rückten nach. Laut diesem "Unvereinbarkeitsbeschluß", gegen den der Personalrat der Universität Tübingen erfolglos beim Bundesverfassungsgericht geklagt hatte, bestehen bei einem Doppelmandat "Interessenskonflikte", die aber bisher noch niemand konkretisieren konnte. Dieser Beschluß bedeutet zumindest aber eine deutliche Verschlechterung der täglichen Mitarbeit in diesen Gremien, stellt sich doch das große Informationsdefizit, unter dem ich als Neuling ohne jegliche Erfahrung in Personalratsarbeit zu leiden habe, immer wieder als sehr hinderlich heraus. Hinzu kommt, daß unsere Gruppierung und die der Wissenschaftlichen MitarbeiterInnen und der Studierenden mit ihren geringen Mitgliederzahlen in den Gremien völlig unterrepräsentiert sind gegenüber der Übermacht der ProfessorInnen.
3. Die Arbeit in den Gremien 3.1 Der Große Senat Der "Große Senat" tritt in der Regel zweimal im Semester zusammen. Im ersten Jahr meiner Mitgliedschaft bestand insofern eine Besonderheit, da mit der Neuwahl des Rektors am 22. Juni wesentlich mehr Arbeit auf dieses höchste Gremium der Universität zukam, als in früheren Jahren. Zusammen mit der Verabschiedung des Präsidenten A. Theis und den Vorstellungsrunden der KandidatInnen auf dieses Amt, ergab sich eine wesentlich höhere Anzahl von Sitzungen als erwartet, aber wir hatten zumindest einmal das Gefühl, mit der Wahl des Rektors eine Entscheidung wirklich beeinflussen zu können, auch wenn die Mehrheitsverhältnisse nicht soviel Spielraum erlauben. Prinzipiell ist festzustellen, daß in diesem Gremium eher die "hohe Politik" gemacht wird, die auch repräsentativ nach außen zu wirken hat. So standen neben der Wahl des neuen Rektors und der Prorektoren unter anderem folgende Tagesordnungspunkte an:
- Bericht der Frauenbeauftragten - Rechenschaftsbericht des Präsidenten - Beschluß über Neuregelung der Grundordnung
Durch die große Anzahl der Mitglieder entsteht eine gewisse Unpersönlichkeit, die erst nach längerer Zeit und nach einigen Gesprächen weicht und die es den Mitgliedern auch nicht einfach macht, sich öfters zu Wort zu melden und intensiv mitzuarbeiten.
3.2 Der Verwaltungsrat Gewählt von den Mitgliedern unserer Gruppierung im Senat wurde ich ebenso die Vertreterin der "Sonstigen MitarbeiterInnen" im Verwaltungsrat. Die Arbeit innerhalb dieses Gremiums stellte sich als wesentlich arbeitsintensiver heraus, sind doch in der Regel pro Semester 6 Sitzungen veranschlagt, die jeweils immer mittwochs 15 Uhr ct beginnen und durchaus auch einmal weit über 20 Uhr hinaus dauern können. Jedes Mitglied im Verwaltungsrat erhält im voraus die Tagesordnung und alle notwenigen Sitzungsunterlagen. Um dem Anspruch gerecht zu werden, alle Materialien wirklich gewissenhaft zu studieren und sich intensiv auf die Sitzung vorzubereiten, dauert allein die Durchsicht aller Unterlagen mehrere Stunden. Hat man anfangs noch das Gefühl, den Inhalt der Papiere nur ansatzweise zu verstehen, entwickelt sich dann aber über die Monate der Mitarbeit hinweg doch ein wesentlich besseres Verständnis der behandelten Themen, einfach auch weil die Hintergründe mehr und mehr bekannt werden. Während der Sitzung wird sehr konzentriert und konstruktiv gearbeitet, und ich war insofern etwas überrascht, daß doch alle Punkte immer sehr kritisch und genau betrachtet werden und das häufig lange und kontroverse Diskussionen geführt werden. Wie bereits erwähnt, stellt sich das sicherlich noch lange bestehende Informationsdefizit und die Unerfahrenheit meinerseits als hinderlich für eine wirklich konstruktive Mitarbeit dar, aber die anderen Mitglieder des Verwaltungsrates bemühen sich sehr um eine freundliche und kollegiale Atmosphäre. Ein weiteres Problem ist auch, daß bei vielen der besprochenen Punkten wir als "nichtwissenschaftliches Personal" wenig bis gar nicht betroffen sind, aber durch die Einsicht aller Unterlagen erhält man einen äußerst interessanten Einblick in den Alltag einer Universität und kann zum Teil spannende Blicke hinter die Kulissen werfen. Auch wenn alle Entscheidungen des Verwaltungsrates letztendlich öffentlich sind, so sind doch alle Mitglieder zu absolutem Schweigen über die Arbeit innerhalb des Gremiums verpflichtet.
Folgende Punkte werden nun in der Regel behandelt und entschieden:
- Entscheidung über Zuweisung aller Haushaltsmittel - Freigabe aller freigewordenen Personalstellen an der Universität - Entscheidungen bei allen Veränderungen der räumlichen Unterbringung (Raumzuweisungen, Umwidmungen, Umbaumaßnahmen) - Freigabe von Großgeräte-Anträgen - Freigabe der ausgehandelten Zusagen an Personalstellen, Finanzmitteln und der Unterbringung bei Neu- und Wiederbesetzungen von Professuren und bei Bleibeverhandlungen - Freigabe von Benutzungsordnungen und Satzungen
Der Verwaltungsrat ist sicherlich mit den dort zu treffenden Entscheidungen das wichtigste Gremium innerhalb der Universitätsverwaltung, wird doch hier über die drei zentralen Punkte der Vewaltung entschieden: Haushaltsmittel, Personalstellen und räumliche Unterbringung.
3.3 Strukturkommission Alle Mitglieder im Verwaltungsrat sind kraft ihres Amtes ebenfalls VerteterInnen in der von der Universität Tübingen zusätzlich eingerichteten "Strukturkommission" des Senates, die über jegliche Stukturfragen der gesamten Universität zu befinden hat. Dieses nicht durch das Universitätsgesetz vorgegebene Gremium entscheidet in Fragen wie:
- Anträge auf Ausschreibung und Freigabe von Professuren - Anträge auf Änderung der Bezeichnungen und Funktionsbeschreibungen von Universitätseinrichtungen - Anträge auf Einrichtungen neuer Abteilungen und neuer Bereiche
Im Gegensatz zu den Diskussionen innerhalb des Verwaltungsrates sind hier die Erörterungen im wesentlichen theoretischer Natur, es wird prinzipiell über neu zu schaffende oder abzuändernde Strukturen in allen Bereichen der Universität entschieden.
4. Schlußbetrachtung Nach den nun fast abgelaufenen zwei Jahren Amtszeit bleibt für mich festzustellen, daß die positiven Erfahrungen bei weitem überwiegen. Dem immensen Arbeitsaufwand durch die langen Vorbereitungszeiten und den meist auch anstrengenden und langen Sitzungen steht doch ein großes Maß an neuen Erfahrungen gegenüber. Auch wenn man sich nicht der Illusion hingeben darf, durch die Mitarbeit wirklich existentielle Dinge verändern zu können, so ist doch die Möglichkeit gegeben, hinter die Kulissen schauen zu können, Zusammenhänge zu verstehen und viele Entscheidungen der Gremien wesentlich besser nachvollziehen zu können. Für die Zukunft zu wünschen übrig bleibt auf jeden Fall eine bessere Vertretung unserer Gruppierung des "nichtwissenschaftlichen Personals" in allen Gremien, oder mit anderen Worten: alle Gruppierungen der Universität müßten die gleiche Anzahl an VertreterInnen in die Gremien entsenden dürfen, um eine bessere Ausgewogenheit gewährleisten zu können. Auch ist die Möglichkeit der gleichzeitigen Mitarbeit im Personalrat und in den Universitäts-Organen dringend erforderlich, aber da zur Abhilfe bei den beiden kritisierten Punkten eine Revision des Universitätsgesetzes nötig ist, wird wohl in den nächsten Jahren wenig Hoffnung auf Besserung bestehen.
Susanne Hempel |